Abfuhr an die Spinnenreiter und Aussicht auf Vaterfreuden

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Juro: Das ist Hardcore-Motivationstraining: Wenn ihr nicht ordentlich arbeitet, sterbt ihr!

Roland:

Wieso lass ich mir nicht gleich nen eigenen Sandsack und ne Schnapsbar in mein Quartier einbauen? So oft, wie ich beides brauche. Verdammte Scheiße, ich werde Vater! Noch schlimmer: Ramona wird Mutter! Und es bedeutet ihr nichts. Ich dachte, das würde etwas zwischen uns ändern, aber diese Frau... Ich bin fast umgekippt, als mir Emanuelle die Neuigkeit mitgeteilt hat - noch bevor Ramona irgend etwas wusste. Becker hat sie in die Krankenstation geschleift, weil er dachte, sie hätte einen Parasiten. Ha! Stimmt im gewissen Sinne! Mein erster Gedanke: Wer ist der Vater? Doch nicht etwa ich? Emanuelle hatte Ramona doch in der Arrestzelle auf Schwangerschaft getestet und danach haben wir nicht mehr miteinander geschlafen. Also die schreckliche Vermutung: Jemand anderes! Becker? IH! Alter Sack, ich schlag dir den Schädel ein oder jedem, der Hand an... Spinner! Sie ist nicht deine Frau. Oder der Dämon? Die plötzliche Schwangerschaft eher eine neue Form von Besessenheit? Emanuelle meint vielleicht, es wären nur die persönlichen Gründe gewesen, als ich sie gebeten hab - nein, fast befohlen! -, die ganze Nacht für den Vaterschaftstest durchzuarbeiten und nicht die Sicherheit der ganzen... He, schauen wir der Tatsache ins Gesicht: Es waren rein persönliche Gründe. An eine dämonische Schwangerschaft hab ich nicht wirklich geglaubt. Ich hab mich außerstande gefühlt, Ramona selbst zum Test zu holen und bin erst in die Krankenstation, als die Luft rein war. Wieso wachsen so verdammte Zellkulturen so langsam? Morgens das Ergebnis: Vater - Roland Beagle, mit 74 % Wahrscheinlichkeit der mit Abstand wahrscheinlichste Kandidat... Hat Ramona in Zweifel gezogen, dass sie schwanger ist, oder hatte sie einen anderen möglichen Vater im Kopf, als sie nachfragte? Sei nicht paranoid!

Dann sitzt mir diese verdammte Frau ganz kühl gegenüber und meint zu der Nachricht: Oh, na dann. Besorge ich mir Personal, damit mich das Kind nicht von meinen wichtigen Aufgaben abhält. So kalt! Keinen Moment außer Fassung, kein Gedanke an die Verantwortung, kein Wort über mich, über uns! Ich kann es einfach nicht fassen, ich begreife sie nicht! Als ich nachfrage, bietet Ramona mir doch tatsächlich an, wieder zusammen zu ziehen, wenn das Kind da ist. Und dabei bedeutet ihr das alles NICHTS!!! Argh! Wie Agnes, das arme Würmchen wird auch nur eine Mutter haben, die sich nur um ihren Kram kümmert, es wird nur eine Atmosphäre der Kälte haben und genauso gestört werden wie ich. Ich könnte es gerne besser machen, bitte schön, meint Ramona. Was weiß ich schon von Kindern? Ich hatte auch kein Vorbild! Aber es muss doch was bedeuten, dass da ein Leben entsteht aus uns beiden! Im nachhinein ist mir klar, dass es ziemlich egositisch war, was ich dann getan hab: Weil ich ihr irgedeine menschliche Reaktion entlocken wollte, hab ich ihr gesagt, sie soll sich vorstellen, es wäre das Kind ihres ersten Mannes und was sie sich für ihre Familie damals vorgestellt hat. Ich glaub, ich hab sie tief getroffen und ich hab sie neu verwundet in eine weitere Chaosnacht entlassen, und wenn ich nur einen Funken Anstand hätte, würde ich ihr ihr Schutzschild lassen, zu ihrem Wohl, zum Wohl des Kindes und des ganzen verdammten Schiffes! Aber ich muss immer wieder zustechen... Das beste wäre wohl, wir würden gleich eine Adoptivfamilie suchen, damit das Kind nie erfahren muss, wer seine verkorksten Eltern sind!

((Juro will das Kind adoptieren, um es vor der Beagle-Fjellstroem-Achse des Bösen zu bewahren - Professor Beckers Unterstützung hat er schon!))

Jedenfalls hatte ich meinen Kopf weiß Gott woanders, als dieses Treffen mit den Spinnenreitern anstand, um zu klären, ob wir an ihrem Plan, die Svensson-Columbus abzusägen und mit ihnen der Flotte vorauszueilen, teilhaben wollen. Aber Juro kann noch so viel an der blonden Kommunikationstussi der GUs rumbaggern, die sind einfach unheimlich und arrogant und viel zu schwer einzuschätzen für meinen Geschmack. Ich glaube, ich hätte die Entscheidung an jedem anderen Tag auch so getroffen - nur vielleicht höflicher ausgedrückt. (Meine Güte, ich hab sogar Bridget angebrüllt, als sie mir vor Ramonas Quartier aufgelungert hat. Ich sollte echt an meiner Beherrschung arbeiten!) Scheiß drauf: Was müssen wir uns von den Herren Aufklärern mit in eine Art Meuterei ((Codewort: Pfannkuchen)) hineinziehen lassen, wenn sie nicht mal bereit sind, ein paar Infos mit uns zu teilen oder uns auch nur ein vernünftiges Entschädigungsangebot machen? Wir können nicht die Arbeit von 20 000 Betonieren und Erzräubern selbst machen, unsere Leute verlassen sich auf uns, dass wir ihnen den Start in ein neues Leben so gut wie möglich erleichtern. Wenn ich zu einer durchgeknallten Kampftruppe mit Riesenspinnen gehöre, kann ich vielleicht von "No risc, no fun" reden, aber ich werde nicht für ein hirnrissiges Projekt mit zweifelhaftem Ausgang das Leben Tausender aufs Spiel setzen. Dann lieber mit der Columbus weiterstreiten und die Kollegen von Deck 7 als Rückendeckung haben. So machtgeil bin ich nicht, dass ich einen ganzen Planeten brauche - und ich bin verdammt froh, dass Juro trotz seiner Faszination für die GUs mit mir einer Meinung war.

Nur wird das wieder keiner erfahren. Stattdessen kam ich mir wie der deppigste Vorgesetzte der Galaxie vor, als meine Leute in einer Notfallsitzung plötzlich aufzählten, was wir alles versäumt haben und schon längst hätten planen müssen. Die Sicherheitsleute sind gut aufgestellt und sterben für sie, da kam ihnen mal in den Sinn, dass wir denen was zurückgeben müssen. Toll, ich dachte, ich bin von lauter klugen Menschen umgeben, die wissen, was sie tun! Was soll ich, 21 Jahre alt, vor ein paar Wochen noch Hilfsarbeiter, einen Hannibal oder Androsch auf die Finger hauen und antreiben? Aber anscheinend erwarten sie, dass ich genau das tue. Und haben wahrscheinlich recht - ich hab so viel Zeit mit Zeug verbracht, das nicht zu meinen Aufgaben gehört! Langsam wird die Planung also konkreter: Unterirdische Produktionsstätten (da an der Oberfläche des Eiswürfels eh nix wächst), Uxams Bürokratie entwirren - und ein Rechtssystem erschaffen. Verdammt noch mal! Daran hab ich gar nicht gedacht! Vielleicht bietet sich hier eine Gelegenheit, Zeichen zu setzen mit der Gleichberechtigung von Aliens und Mutanten! Als ich Juro von der Sache erzählte, lachte der erst mal los - und ich hab voll auf dem Schlauch gestanden, bis ich auch lachen musste: Fragte ich doch gerade einen ehemaligen Unterweltgangster, wie man Gesetze macht. Aber ohne Scherz: Juro muss sich darüber klar werden, wie er künftig damit umgehen will, wenn Mitglieder seiner Gilde auf unserem Asteoriden siedeln wollen - wahrscheinlich haben wir schon längst einige an Bord. Ich werde ihn jedenfalls genau beobachten, wie ihn seine Vergangenheit beim Entwerfen eines Rechtssystems beeinflusst (Gesetzesentwürfe). Nur - wie passen Achmed und Ali da eigentlich rein?

Juro:
Diese Spinnenreiter sind mir echt ein Rätsel. Sie geben sich auch alle Mühe, eins zu bleiben. Wobei ich vielleicht einen kleinen Blick hinter die Kulissen bekommen habe. Erst dieser Spinnenreiter, der bei uns auf der Beerdigung aufgetaucht ist. Ich war zwar nicht in der Stimmung, die Gelegenheit zu nutzen, um ihn auszuhorchen, aber allein der Besuch war ungewöhnlich. Dann dieses Erlebnis im Schwimmbad. Bin dort hingegangen, um den Kopf frei zu kriegen und mich zu entscheiden, wie wir auf das Angebot der Spinnenreiter reagieren sollen, den Asteroiden quasi im Alleingang mit ihnen zu sichern. Und was passiert? Das Licht ist ausgeschaltet und erst als ich hallo rufe, geht es an und enthüllt einen Spinnenreiter, der am Rand des Beckens sitzt. Ausgerechnet! Ich war ziemlich perplex. Was macht einer von denen im öffentlichen Schwimmbad, wo sie doch auf keinen Fall ohne Robe und Stimmverzerrer gesehen werden wollen? Als ich aus der Umkleide kam, war er jedenfalls verschwunden. Hab mir nichts dabei gedacht und bin wie immer ins Wasser gesprungen. Doch was bemerke ich da nach ein paar Bahnen? Ascheflocken, die auf der Oberfläche schwimmen! Mein erster Gedanke: Oh Gott, die haben die Asche ihrer Toten ins Becken gestreut! Ich hab einen riesen Schreck gekriegt und bin wie ein Irrer aus dem Wasser und direkt unter die Dusche geschossen. Die Computeranalyse verstärkte meinen Verdacht - organisches verbranntes Material, das von der Menge her einem menschlichen Körper entsprechen könnte - toll. Im Nachhinein ist es mir ziemlich peinlich, das angenommen zu haben. Aber zu dem Zeitpunkt hätte ich den Spinnen alles mögliche zugetraut - was ich genaugenommen immer noch tue.

Zusammen mit Roland habe ich die seltsamen Aktivitäten genauer unter die Lupe genommen. Anscheinden ging das schon die ganze Woche so. Immer um eine bestimmte Uhrzeit wurden Licht und Überwachung abgeschaltet und nach ca. 1,5 Stunden die automatische Reinigung des Beckens aktiviert. Sehr seltsam! Am nächsten Abend haben wir spioniert. Dank meinen ESP-Sinnen (ja ich vergesse manchmal immer noch dass ich sie habe, Danke Roland fürs Erinnern!) konnte ich die Szenerie beobachten. Mit dem Verdacht auf Bestattungsriten hatte ich das Thema zumindest gestreift. Es ging um Trauer. Da saß doch tatsächlich eine Spinnenreiterin im Dunkeln, inmitten von Räucherwerk und das einzige, was zu hören war, war das Tropfen ihrer Tränen auf die Fliesen. Ich konnte sie im Dunkeln nicht genau erkennen, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich sie kannte. War das nicht die Kommunikationsoffizierin? Die einzige, die ich auch ohne Robe gesehen hatte? Ich hatte zwischenzeitlich sogar angenommen, sie wäre nur computergeneriert. Doch was ich da sehen konnte, das waren echte Gefühle. Und ein einsamer Mensch. Gab es da doch noch mehr als Arroganz unter den Masken?

Ich war mir nicht sicher, was ich mit der Erkenntnis anfangen sollte. Sie tat mir leid. Ich konnte nur zu gut verstehen wie sie sich dabei fühlen musste, gegenüber allen Anderen so zu tun als wäre nicht passiert. Dabei wusste ich noch nicht einmal, ob meine Theorie zutraf. Dass es ihr nicht gut ging hätte allerdings sogar ein Blinder bemerkt. Ich war schon auf dem Rückweg, als ich wieder umgedreht bin. Bin in das Schwimmbad zurück und habe versucht, ein Gespräch mit ihr anzufangen. Das ist gar nicht so einfach, wenn du nicht gerade erzählen willst, dass du sie erstens gerade beobachtet hast, als sie glaubte, allein zu sein und zeweitens einen Verdacht hast, wer sie ist. Noch dazu reagierte sie natürlich sofort professionell beherrscht. Ich kam mir schon etwas blöd vor, vor allem als sie durchblicken ließ, dass sie meinen Verdacht auf menschliche Asche mitbekommen hatte. Peinlich. Naja. Irodon die Ewige wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Keine Ahnung, ob ich mich zu sehr geöffnet habe und mich die komplette Spinnenfraktion jetzt für gefühlsduselig hält, oder ob ich richtig gelegen habe und es ihr ein bisschen geholfen hat. Rausfinden werde ich es wohl kaum, da sich die Spinnenreiter ohne uns auf den Weg machen werden. Ganz ehrlich - mir ist die Arroganz ihrer Chefs so auf den Sack gegangen, dass ich einfach keine Lust hatte, meine Leute dafür aufs Spiel zu setzen. Auch wenn ich die Vorstellung an einen "Alleingang" anfangs eigentlich sehr verlockend fand. Wobei schon der Gedanke an einen Anteil eines Planeten absolut gigantisch ist, da brauche ich nicht unbedingt einen ganzen! Naja, wird sich rausstellen ob die Entscheidung gut oder schlecht war. Wer weiß schon, was das Universum so für uns vorgesehen hat.

Dass der Eine unbedingt dafür sorgen musste, dass Roland mit Ramona ein Kind gezeugt hat, hätte allerdings meiner Meinung nach nicht unbedingt passieren müssen. Tja, so kanns gehen. Zum Glück gibts genug Leute hier, die sich um das Kleine kümmern können - auf die Eltern würde ich nicht unbedingt bauen, die haben schon mit sich selbst genug zu tun. ich weiß, dass Roland eigentlich gar kein Fan von Nachwuchs ist - auch wenn ich das niemandem erzählen würde. Sieht die Kirche nicht so gerne. Naja, ich bin ja auch noch da. Das wird schon. Vielleicht war das ja der Sinn des ganzen - ich habe Ramona geschützt, damit ein Kind dabei rauskommt. Die Wege des Einen können ja ziemlich unergründlich sein. Mir gefällt jedenfalls der Gedanke.



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