Gottes Boten mit Traumsaat verwechselt

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Zachiel:

Ich kann es immer noch nicht fassen, dass mich dieser Mann tatsächlich auf die Nase geschlagen hat! Und ich ihm nicht mal die göttliche Vergeltung zuteil werden lassen konnte! Im ersten Moment war ich ja noch bereit anzunehmen, der Kerl wäre wahnsinnig vor Sorge um ein Familienmitglied, das vielleicht noch im brennenden Haus festsaß. Sonst hätte ich ihn gleich mit dem Flammenschwert niedergestreckt, weil er mich geschlagen und im Löschteich unter Wasser gedrückt hat, nachdem Tamael und ich ihm sein nichtsnutziges Leben gerettet haben. Weil ich sein Gestammel nicht verstand, rief ich Siguriel herbei - und da ging schon der Jugendliche, mit dem ich zuvor aus einem Fenster gesprungen war, mit der Mistgabel auf ein Schwein los. Waren die alle von Dämonen besessen? Wenn mein Scharführer nicht darauf bestanden hätte, ihn lebend gefangen zu nehmen... oder mir befohlen hätte, diese Frau zu retten... Sie hat ihr Baby aus dem Fenster geworfen in ihrem Wahn und mich eine Traumsaat-Kreatur genannt! Soll ich da mein Leben riskieren? Oh, warum haben wir das verdammte Ketzerdorf nicht einfach abbrennen lassen, dachte ich mir!

Aber wie sich herausstellte, waren keine dämonischen Kräfte am Werk, sondern einfach ein seltsames Kraut, das so ein Kerl auf seinem Feld angebaut hat ohne zu wissen, was es ist. Dann stecken so ein paar dumme Jugendliche die ganze Ernte in Brand und der Rauch hat die ganzen Menschen narrisch gemacht. Wie gut, dass ich auf die Idee kam, dass wir mit unseren Schwingen Rauch und Funken vom Dorf weg zu wedeln, bis Siguriel die Löschkette organisiert hatte. Dass Menschen so was allein nicht auf die Reihe kriegen - obendrein Menschen in Gabrielis Land, peinlich! Jedenfalls waren sie weitgehend unschuldig an ihrem Wahnsinn - aber es war für mich und Siguriel gleichermaßen unbefriedigend, dass wir niemanden trotz seines offensichtlich lasterhaften Verhaltens bestrafen konnten. Wenigstens dem Priester konnte ich eine Standpauke halten. Weil er erstens der einzige war, der vernünftiges Latein sprach, und weil ich es mehr als bedenklich finde, dass er als Mann Gottes wegen ein bisschen Rauch so den Kopf verliert. Selbst wenn Traumsaatkreaturen das Dorf angegriffen hätten, wie er zu sehen meinte, wäre seine Aufgabe gewesen, Zuversicht zu verbreiten und Ruhe ins Chaos zu bringen, statt herumzulaufen und das Ende der Welt herbeizubrüllen! Weit kann es da mit seinem Vertrauen in die Göttliche Fügung nicht her sein! Schwacher Mann!

Nun, meine armen Flügel haben noch weiter gelitten bei dieser ganzen Aktion. Dabei habe ich schon einige Federn auf diesem Berghang gelassen, als wir den Bauern und seine Tochter aus der Steilwand zu retten suchten. Ich hatte es eigentlich nicht so ernst gemeint, als ich zu Siguriel sagte: "Meinst du, die Traumsaat hält sich an Hauptverkehrsstraßen?" Und als Veruel dann meinte, Einsiedler ohne regelmäßigen Kontakt zur Kirche könnten auf so blöde Ideen kommen wie Kühe der Traumsaat zu opfern, ging mit unserem Michaeliten auf einmal die Fantasie durch und er bestand darauf, einige einsame Höfe zu kontrollieren. Auch hier keine Dämonen, aber so konnten wir wenigstens auf der Suche nach der verschollenen Tochter behilflich sein. Und weil der Vorsprung, der sie mit Gottes Wille vor dem Sturz in den Tod bewahrt hatte, zu klein zum Anfliegen war, mussten wir uns wie gemeines Volk mit dem Seil aneinander binden und Rodunel ablassen. Ich bin nun mal eine Kämpferin, keine Bergziege - da kann es im Regen schon mal passieren, dass ich ausgleite! Angst hatte ich keine, als ich so auf dem Rücken den Hang hinunterrutschte, aber wütend war ich! Wenn nur einer etwas über meine Flügel gesagt hätte...

So hatten wir unsere Nacht unter freiem Himmel früher als geplant, und Tamael, der Held, dessen Idee das ganze ursprünglich war, verbrachte sie währenddessen in der Hütte, um die Mutter zu informieren, dass wir alle gerettet hatten. Ja, Tamael hat mit Absícht diese abgelegene Route gewählt, damit wir mehr über die Tiere auf Gottes weiter Welt lernen. Wobei ich immer noch nicht ganz verstehe, warum er so wütend war, nachdem ich dieses Viech, diesen... Bären mit einem Klaps den Berg runtergeschickt habe. Immerhin habe ich ihn nicht getötet, nur sein Fell ein wenig angesengt, dabei hat er mich zuerst angegriffen! Und wenn Tamael meint, er müsste sich in einen Fluss werfen, um das Tier zu löschen, ist das seine Sache, Und auch das Jagen war nicht so schwer, wie ich dachte, nachdem unser Urielit so ein Tamtam drum gemacht hat von wegen leise sein! Ist eigentlich wie jeder Kampf: Mit der Hasta in die Schlacht und schon einen Stachel-Traumsaat-Mutanten erlegt - gut, Tamael nannte es Igel und hielt es für harmlos. Aber der Vogel, den ich aus dem Loch gestochert hab, hat prima geschmeckt!

Aber letztlich kann ich Tamael noch besser verstehen als Rodunel und Veruel zum Beispiel. Gerade Rodunel sollte doch verstehen, dass ein Engel von der Liebe zu allen Geschöpfen Gottes erfüllt sein kann. Und wenn Tamael entscheidet, den verletzten Fuchs mitzunehmen und ihn gesund zu pflegen, weil unser Heiler seine Energie nicht an mindere Kreaturen vergeuden will, dann soll Rodunel das akzeptieren und nicht ständig sein Missfallen zum Ausdruck bringen. Ich hab nichts gegen den Fuchs - er hat Tamael im Kampf gegen das Feuer nicht behindert. Und Veruels Begeisterung über die Schriftzeichen an der Wand der Urieliten-Höhle fand ich mehr als unpassend. Wenn Ramieliten schon ketzerisches Gedankengut bewahren müssen, dann sollen sie das auch wirklich geheim halten und nicht an öffentlich zugänglichen Plätzen zur Schau stellen! Was ist das für ein Vorbild? Was, wenn Menschen das sehen und in Versuchung geführt werden? Veruel meinte mich zurechtweisen zu müssen, dass nicht alles, was man nicht versteht, Ketzerei sein muss. Wahrlich, was gibt es mehr zu wissen als das, was der Allmächtige uns aufgetragen hat?


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