Engelsweihe

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Zachiel:
Morgen geht es los: Unser erster Auftrag als Schar. Endlich kann ich das tun, wofür ich in den vergangenen Jahren ausgebildet worden bin. Wenn ein Kloster drei Jahre lang keinen Kontakt zur Außenwelt hatte, kann etwas nicht stimmen - aber ich bin bereit für jede Traumsaat-Kreatur, die sich mir in den Weg stellt! Gott hat mich auserwählt und ich bin am richtigen Ort, um Seinen Willen zu erfüllen!

Gut, ich muss zugeben: Der Anblick der Brandlanden auf dem Flug nach Rom hat mir ein ungutes Gefühl gegeben. Diese dunkle, wirbelnde Wand, in der sich die Feinde des Herren verbergen und die, wie es heißt, einen Engelsorden komplett von der Außenwelt abgeschnitten haben... Simael, mein Ausbilder, dachte, er müsste mir eine spezielle Anweisung geben, mich von der Rauchwand fern zu halten. Aber wenn man sich diese Ausgeburt der Hölle ansieht, ist schnell klar, dass nicht einmal wir Gabrieliten allein damit fertig werden können. Doch ich weiß, mit der Hilfe des Allmächtigen werden die himmlischen Scharen eines Tages die Schöpfung von dem Übel befreien! Ansonsten verlief der Flug ruhig, zu ruhig fast, es gab keine Herausforderung zu meistern, die Klöster haben uns freundlich aufgenommen und hatten keine Beschwerden vorzubringen. Keine Arbeit für mein Flammenschwert oder den Dolch, den mir Walter zum Abschied geschenkt hat. Wir haben nur eine Schar Raffaeliten überholt. Der erste Eindruck von den Brüdern und Schwestern dieses Ordens war niederschmetternd: Keinen Sinn für Disziplin, offenbar kaum Flugerfahrung oder auch nur Talent dafür, sich länger in der Luft zu halten, und ein Kerlchen hat es doch fast geschafft, einem anderen seinen Streithammer auf den Kopf fallen zu lassen, weil er nicht mal eine Halterung am Gürtel hatte für die Waffe!

Ich danke dem Herrn in seiner Weisheit, dass er mir erspart hat, dass dieser Esrael Teil meiner Schar wurde! Rodunel scheint der vernünftigste und am wenigsten geschwätzige Raffaelit zu sein, der mir bisher untergekommen ist. Allerdings hab ich ihn noch nicht fliegen sehen... Die Fügung wollte es, dass ich noch vor der Weihe alle weiteren Mitglieder meiner späteren Schar kennen gelernt habe. Siguriel, Michaelit und Namensgeber, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, alle ankommenden Engel auf der Plattform willkommen zu heißen und ihnen ihre Quartiere zuzuweisen. Er ist so hundekuchengut zu allen, das ist kaum zu fassen! Mit seinen leichtend bunten Schulterplatten war er kaum zu übersehen, obwohl er nicht der größte ist. Warum Engel ihre kostbare Zeit verschwenden, solchen Flitterkram herzustellen (auch wenn es einige Fertigkeit verlangt, zugegeben), weiß ich nicht. Ob er mit dem Schwert genauso gut umgehen kann, muss sich noch zeigen. Aber er scheint ein guter Planer zu sein und seit mir der Templer Urs (mit dem ich im römischen Himmel zum Zeitvertreib etwas Lanzenfechten geübt hab) verraten hat, dass er Siguriel ausgebildet hat, bin ich ruhiger. Ich muss mich nur daran gewöhnen, dass dieser Michaelit durch die besondere Verbindung der Schar in meinem Kopf rumfuhrwerkt. Der Eine Gott kennt alle meine Gedanken - muss es der Anführer meiner Schar unbedingt auch? Aber ich sehe natürlich die Vorteile, die das im Schlachtgetümmel bieten kann. Der Allmächtige hat es gerichtet.

Um Tamael mache ich mir gar keine Sorgen - was diese Urieliten im Flug alles anstellen können, ist fantastisch und ich kann es kaum erwarten, seinen Bogen in Aktion zu sehen. Kurz: Ein Kämpfer, den man gern auf seiner Seite hat. Zum Ausgleich hat der Herr uns jedoch eine Bürde auferlegt: die Ramielitin Veruel. Ich stelle gar nicht ihre guten Absichten in Frage und ihre Hingabe an die Schar und die Aufgabe, die ihr Gott übertragen hat. Aber wie kann man nur so schusselig sein und nach der Weihe, statt sich zu seiner Schar zu gesellen und das Ritual durchzuführen, in der Bibliothek verloren gehen? Wir suchen überall und sind als einzige Schar noch nicht vollständig - wie peinlich! Ich verstehe ohnehin nicht, was die Ramieliten an einem Raum voller Bücher mit zweifelhaftem Inhalt finden. Ich will es auch nicht wissen. Wir müssen alle ein bisschen auf Veruel aufpassen, damit ihr die Ketzereien nicht endgültig das Hirn vernebeln...

Nichts, was ich in Nürnberg gehört habe, hat mich darauf vorbereiten können, wie es sich tatsächlich anfühlt, den Petersdom zu betreten, die Nacht hindurch zu meditieren und von dem himmlischen Gesang der Sarieliten aus der Trance geweckt zu werden. Oder auf den Anblick der Menschenmenge vor dem Platz, die den göttlichen Boten - uns - zujubelt. Auf die Glückseligkeit und das Vertrauen, das der Pontifex ausstrahlt, als ich mein erstes Votivband aus seinen Händen empfange. Ich werde den Herrn und seinen Stellvertreter niemals enttäuschen!


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