Enterversuch und Frauenprobleme
Roland:
O ja, wenn ich da so auf den Sandsack eindresche, sind die ganzen Gedanken da: Schlampe, intrigante Schlange (arme Schlangen), soll sie doch in der Arrestzelle versauern, soll doch ihr Dämonen-Freund sie zum Wahnsinn treiben, damit wir sie erschießen können, ich bin eh nicht sicher, wie ernst sie es meint, soll doch die Scheiß-Unterweltgilde ihre Auslieferung haben! Aber wenn die Wut nachlässt, bleibt nur übrig, dass ich diese verdammte Frau liebe, auch wenn sie mich nie geliebt hat, und dass ich sie jetzt genauso wenig im Stich lassen kann wie ein Computer-Experte werden.
Ramona spricht die Wahrheit, welch Wunder! Zaishen musste sie quasi erpressen, bevor sie sich durchgerungen hat, mir ins Gesicht zu sagen, dass sie mich die ganze Zeit nur benutzt hat aus Angst vor der Unterweltgilde. Ich mein... ich Idiot hab mir das die ganze Zeit schon selbst gesagt, und nachdem ich Walt aus Neugierde mal in die Arrestzelle geschickt hab, damit er Ramona "aushorcht", waren seine Andeutungen schon genug. Aber es aus ihrem Mund zu hören, ist trotzdem hart. Ich mein gar nicht mal so den Sex (oh Mann, die ganze Zeit wollte ich sie nur küssen und an mich ziehen...), sondern alles. Dieser unglaubliche Abend im Weltraum (Alienhasser und Gefühlsver(w)irrungen), das ist jetzt alles so... dreckig. Und in der Kuppel feiern irgendwelche Kids jetzt ihre Partys.
Einen ganzen Tag lang hab ich drauf gewartet, dass Ramona sich meldet, wie Zaishen ankündigte. Dass in der Mittagszeit Donald noch die Teens öffentlich ausgepeitscht hat, die nach der Party die Sicherheitsleute angegriffen hatten (bzw. Juro auf der Party), hat nicht zur Hebung meiner Laune beigetragen. Auch wenn der Schmerzverstärker passé ist, finde ich solche Spektakel widerlich, aber mir fällt auch nicht ein, was ich Juro sonst vorschlagen könnte. Lassen sich Menschen echt nur von Gewalt beeindrucken? Tolle Rasse, die da das halbe Universum beherrscht! Heute Vormittag gab es dann diesen dämlichen Enterversuch: Irgendwelche Leute, die nur von diesem kriegsverseuchten Planeten weg wollten, haben versucht, die Krautfass zu stürmen, was natürlich gründlich schief gegangen ist. Hafentruppen, Spinnenreiter und nicht zuletzt die Bordkanonen haben ein Gemetzel angerichtet. Die armen Schweine! Aber ich bin mir nicht sicher, ob die Explosion am Ionentriebwerk Zufall war. Jetzt liegen wir hier auf unbestimmte Zeit und müssen erst mal reparieren - ausgerechnet an dem Tag, an dem Juro Achmed und Ali darum gebeten hat, sich darum zu kümmern, dass der Abflug verschoben wird, damit die Ärztefamilie Tian Zeit hat, ihre Zelte abzubrechen und an Bord zu kommen. (Eigenes Land, nicht nur Lehen, das war das Zauberwort, sie zu überreden.) Das wär echt der Stil dieser Verrückten! Ah, ich falle wieder in Klischees - die beiden "Lans" kümmern sich mehr um das, was in der Ährengarde abgeht, als wir bisher ahnten. Selbst von unserer "Dämonenpaktierer-Tussi" wussten sie schon...
Als ich Ramona bei der Evakuierung aus der Arrestzelle in der Messe sah, wollte ich nicht länger darauf warten, dass sie einen Schlachtplan ausgearbeitet hat und mich anruft. Bin gleich mit ihr zurück in die Zelle. Gut, dass ich meine Rüstung anhatte, da konnte ich das Visier schließen, als ich nach ihrem Geständnis an Alex vorbei musste. Ich dachte, ich könnte Ramona mit Liebe zwingen, ein anderer Mensch zu werden. Vielleicht hab ich mehr in ihr gesehen, als da war. Der Sandsack ist etwas lädiert und ich hab noch eine ganze Weile gebraucht, um mich zu erholen. Zum Glück gab es einiges zu tun: Hilfe für die Erzräuber organisieren, deren Bereich beim Kippen des Schiffs nach der Explosion geflutet wurde, Aoraki verarzten, der in Panik seinen Futtertrog zerlegt hat, Juro davon abhalten, sich vor Isis wie ein eifersüchtiger Liebhaber aufzuführen (was nicht geklappt hat)... Androsch will Henriette doch an Bord behalten, sie werden in ein Doppelquartier umziehen und wir organisieren Hilfe für die Verrückte und den Haushalt. Meine Güte, Maria meinte, Bridget wäre vielleicht Kindergärtnerin und könnte einspringen. Offenbar kann sich unsere Killerin gut tarnen - was mir noch mehr Gänsehaut macht, aber besser, als wenn meine Leute wissen, was sie wirklich ist!
Aber ich werde das jetzt durchziehen. Wenn Ramona nicht mehr im Kommandobunker wohnt, sondern mit Uxam Quartiere tauscht, laufe ich ihr nicht mehr so oft über den Weg und bin unter den Augen der Bewacher unserer Schleuse auch nicht ständig versucht, an ihrer Tür zu lauschen oder so. Ramona kann sich nicht rausreden und nichts beschönigen und mich nicht mehr für ihre Pläne benutzen. Als ich wieder zurück in die Arrestzelle gegangen bin, um ihr zu sagen, dass ich trotzdem von ihr erwarte, mich um Hilfe zu bitten, wenn der Dämon auf sie eindringen will, war sie sehr überrascht. Zum ersten Mal hab ich echte Reue bei ihr gespürt und Dankbarkeit - glaub ich zumindest. Gerade jetzt werde ich ihr beweisen, dass es Menschen gibt, denen sie vertrauen kann. Nicht für sie, aber für mich. Ich will keine Hoffnungen für unsere Zukunft haben. Aber ich werde sie diesem Dämon aus den Fängen reißen! Alles andere wäre einfacher und würde vielleicht weniger weh tun. Aber vielleicht bin ich einfach so ein Selbstquäler wie Juro.
Juro:
Frauen … Irgendetwas scheine ich immer falsch zu machen. Ariane hatte sich so erschrocken, als ich ihr von der Aktion mit dem Schmerzverstärker erzählt habe, dass sie doch glatt vor mir geflüchtet ist. Ich dachte wirklich, dass sie mich jetzt für einen kompletten Psychopathen hält. Ich wollte ihr einfach nur erklären, dass sie sich immer noch auf mich verlassen kann, aber ich konnte sie einfach nicht finden. Nur Isis war gerade in den Ex-Falken-Quartieren unterwegs. Mein leicht panischer Zustand dürfte auch die Erklärung sein, dass Scherbchen es tatsächlich geschafft hat, mir die ganze Geschichte aus der Nase zu ziehen. Ihre Reaktion war zum Glück nicht so geschockt, wie die von den anderen, was mir, ehrlich gesagt, ganz gut getan hat. Als sie dann erklärte, dass das daran liege, dass mich eh die komplette Mannschaft für einen Irren hielte, fand ich das weniger berauschend.
Ariane habe ich in unserem Quartier wiedergefunden und mich erst mal mit ihr versöhnt. Dank Schlaftabletten war die Nacht richtig erholsam. Bei der Strafaktion am nächsten Mittag war ich dabei, hatte aber das Visier geschlossen, damit niemand sieht, wie mich das mitnimmt. Macht keinen guten Eindruck, wenn der Sicherheitschef jedes Mal zusammenzuckt. Zehn Peitschenhiebe für die Jugendlichen und dann wars vorbei. Keiner von ihnen ahnte, dass diese Schmerzen nichts waren, im Vergleich zu der ursprünglich vorgesehenen Strafe.
Das Gespräch mit den Ärzten am nächsten Morgen habe ich Roland überlassen. Inzwischen hat er richtig Übung darin und kriegt so eine Verhandlung ganz gut hin. Das fiel im anfangs ja eher schwer. Am liebsten würde ich den Großvater dieser Familie mal fragen, was er so von uns hält. Roland meinte ja, der könne Leute ziemlich gut einschätzen. Aber das wäre mir dann doch zu peinlich. Wie ein Schauspieler, der wissen möchte, ob er seine Rolle gut hinbekommt. Ich kann einfach immer noch nicht hundertprozentig glauben, dass meine Vergangenheit nicht durchscheint. Als ich mit Achmed und Ali telefoniert habe und wissen wollte ob, sie genug Einfluss auf die Brücke haben, um unseren Start zu verschieben, hat es mich nicht gewundert, im Hintergrund Laserfeuer zu hören. Aber sie meinten dass das klar ginge. Hm. Im Nachhinein bin ich nicht sicher, ob ich diese Frage je hätte stellen sollen. Aber selbst für die beiden Ravelnikovs dürfte es doch nicht möglich sein, innerhalb von zwei Stunden einen riesigen Mob zu organisieren, eine Explosion am Ionentriebwerk zu verursachen und den Tod von etwa 2500 Leute in Kauf zu nehmen, die dabei draufgegangen sind? Ich denke, ich werde in Zukunft trotzdem noch vorsichtiger sein, was meine Gespräche mit ihnen angeht.
Den Rest des Tages hat mich Scherbchen auf Trab gehalten. Als sie sagte, sie würde sich mit einem gewissen „Carlos“ (schon der Name sagt einiges aus!) treffen, da dachte ich noch, sie wollte mich nur ärgern. Als sie später nicht ans Telefon ging, und ihre Rüstung tatsächlich im Quartier von einem Carlos eingebucht war, wurde ich doch misstrauisch. Der Typ gab seine Arbeit als „Schönheitssalon“ aus. Ja genau. Mit der Lizenz zum Fummeln. Und hat sie ihm überhaupt von ihrer Glasknochenkrankheit erzählt? Was ist, wenn der Typ ihr die Wirbelsäule bricht? Roland hat mitgekriegt, dass ich kurz davor stand, das Quartier zu stürmen. Er hat mich überredet, es nicht zu tun. Das hat aber nur solange vorgehalten, bis mich Isis angerufen hat. In einem Winkel meines Bewusstseins war mir ja klar, dass sie mit mir spielt. Diese Erkenntnis half mir leider nicht weiter. Ich bin also doch im „Salon“ aufgetaucht. Carlos hat sich ziemlich erschreckt. Musste wohl an der nachtschwarzen Rüstung und dem Enteralarm an diesem Tag gelegen haben. Scherbchen hat zwar empört gequietscht, aber ich habe genau gemerkt, dass sie sich eigentlich gefreut hat. Konnte sie überreden, mir mit Rolands Geschenk zu helfen, im Austausch gegen eine Nackenmassage. Als ob ich das gut könnte … Na egal.
Das Geschenk sollte eigentlich ein Hochzeitsgeschenk werden, doch das würde wohl jetzt erst mal nichts mehr werden. Aber Roland konnte meiner Meinung nach jede Hilfe gebrauchen, um sein Quartier sicherer gegen böse Einflüsse zu machen. Da geht nichts über ein Schlachtenportrait mit einem berühmten Heiligen! Wir haben es gleich in seinem Quartier an die Wand gehängt.
Ariane war den ganzen Tag damit beschäftigt, bei den Erzräubern auszuhelfen. Die hatte es bei der Beschädigung des Schiffes ganz schön heftig erwischt. Sie meinte, sie wäre zu erledigt, um noch mit mir essen zu gehen und würde gleich ins Bett gehen. Deswegen hat es mich etwas überrascht, als ich sie später noch mit M’Buto in der Messe sitzen gesehen habe, als ich von meinem Termin mit Androsch kam. Eine Stunde später saßen sie immer noch da. Im Séparée. Hm. Nicht, dass ich glaube, dass das mehr zu bedeuten hat, aber irgendwie hat es mich doch geärgert. Wieso kommt sie nicht zu mir, wenn sie nicht schlafen kann? Meint sie etwa, ich könnte nicht für sie da sein? Hm. Vielleicht sollte ich mehr Zeit mit ihr verbringen. So einfach ist das allerdings nicht, mit den ganzen Pflichten am Tag. Das müsste sie doch hoffentlich verstehen, oder? Ach was solls. Wird schon nichts zu bedeuten haben …
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