Selbstverschuldet
Juro:
Ich brenne. Nein, ich erfriere. Ich ersticke? Meine Nerven kreischen Warnmeldungen an mein Gehirn, doch mein Körper kann nicht reagieren. Wie lange dauert das schon? Jahre? Jahrzehnte? Jahrhunderte? Mein Geist ist sich jeder einzelnen brennenden, erfrierenden, erstickenden, explodierenden Nervenzelle bewusst. Er schwebt hilflos über dem brodelnden Chaos und ist allein. Allein in der Dunkelheit und niemand wird kommen um mich zu retten. Das hier ist kein Schmerz mehr, das ist reine Agonie. Ich werde herumgewirbelt, ich falle, ich zerbreche, ich werde zusammengesetzt, nur um wieder in alle Einzelteile zerfetzt zu werden. Ich kann nicht mal daran denken, um Hilfe zu schreien. Worte sind diesem Ort so fern wie Würde. Hier ist man kein Mensch mehr, dafür ist einfach kein Platz. Ewig dreht sich das Rad auf das man geflochten ist, Zeit existiert nicht mehr, die Existenz vor diesem Zustand liegt Äonen zurück und ich …
Es ist vorbei.
Mit aufgerissenen Augen starre ich vorbei an Bridget ins Leere. Ich existiere wieder. Ich kann es kaum glauben, dass mein Körper unverletzt in diesem Stuhl sitzt. Bridget sieht mich mit einem seltsamen Ausdruck an. Nach ein paar Minuten bin ich fähig mich zu erheben und sie streckt mir automatisch die Hand als Stütze hin. Ich ergreife sie wie einen Rettungsanker vor der Einsamkeit und der Kälte, aus der ich eben erst aufgetaucht bin. „Nur zwei Sekunden …“ flüstere ich und wanke mit ihrer Hilfe Richtung Ausgang. Ich schaffe es nicht einmal, einen Blick zurück auf dieses DING zu werfen. Wie konnte ich auch nur im Entferntesten daran denken, einer menschlichen Seele so etwas anzutun. Ich werde es zerstören lassen. Und nie, nie werde ich zulassen, dass mich irgendjemand noch einmal in so ein Gerät steckt. Lieber erschieße ich mich selbst.
Ich schaffe es noch, die Bestrafungsaktion auf morgen früh zu verschieben, bevor ich mich in meinem Quartier verkrieche und niemanden sehen will. Ich muss erst meine Einzelteile zusammensuchen, bevor ich wieder jemandem unter die Augen treten kann.
Plötzlich ist Roland da. Dann Ariane. Kann man hier nicht einmal seine Ruhe haben? Doch ein Teil von mir will sich an ihnen festklammern, um sie nie wieder gehen zu lassen, nie wieder allein zu sein und sich nie wieder so verlassen zu fühlen. Ich kann mich nicht mehr so genau an diese Zeit erinnern, es hat wohl eine ganze Weile gedauert, bis ich wieder einigermaßen bei mir war. Mein Plan, das Ganze geheim zu halten, ist nicht aufgegangen. Roland und die McGurks wissen jetzt Bescheid. Es hat ihnen nicht gefallen und ich fürchte, zwischen Bridget und Erwin gibt es ernsthaften Knatsch. Er hatte sie verhaften lassen, als er rausfand, dass sie etwas darüber wusste, was den Sicherheitschef in diesen Zustand versetzt hatte und es nicht verriet. Sie hatte ja meine Befehle. Nachdem es dann eh schon die meisten wichtigsten Leute in meinem Leben mitgekriegt hatten, wollte ich nicht, dass Ariane denkt, ich vertraue ihr nicht. Ich habe es noch ein bisschen vor mir hergeschoben, war dabei, als Isabel aus dem Tank kam und habe mit Ariane zu Abend gegessen, aber dann habe ich es ihr erzählt.
Das war wohl ein Fehler …
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