Selbstmordversuche und Verschwörungen
Selbstmordversuche und Verschwörungen
Roland:
Entweder wird das die spannendste Reise meines Lebens oder der größte Fehler. Im zweiten Fall muss es mich aber eigentlich auch nicht kümmern, weil mein Leben dann nicht mehr lange dauert. Jedenfalls quillt mir jetzt schon der Kopf über vor lauter Namen und Problemen. Und heiser bin ich auch langsam, so viel, wie ich als Stabsfeldwebel reden muss. Weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.
Da ist erst mal diese unglaubliche Verschwörungsgeschichte, die Juros mannstolle Cousine Tascha aufgedeckt haben will: Dass auf allen Decks mit Primzahlen solche Sekten-Fanatiker sitzen, bis rauf zum 1. Navigator. Sie planen angeblich, im Chaos unser Krautfass zu entführen, mit Tod und Leid einen Dämon anzulocken, das Ding in den Realraum rüberzuholen und auf die Tyraniden zu hetzen, um die endgültig zu vernichten. Ganz davon abgesehen, dass wir als Köder alle draufgehen, haben die Deppen natürlich nicht so weit gedacht, wie sie den voll gefressenen, mächtigen Dämon zurück ins Chaos kriegen sollen.
So. Das hat ein Unbekannter von Deck 8 auf einem Chip zusammen getragen, bis diese Kleptomanin Tascha ihn „gefunden“ hat. Ihre Übersetzerin ist tot – spontane Selbstentzündung, na klar doch! Aber das schlimmste ist, dass wir nicht wissen, wo unsere „Lans“ Achmed und Ali stehen. Haben mit Bills Hilfe ihr Quartier durchsucht – die tun immer so geheimnisvoll – und dabei eine Art Familienalbum der Verschwörer gefunden. Entweder sind die beiden den Fanatikern auch auf der Spur oder sie gehören dazu und haben das Buch als Rückversicherung, damit keiner abtrünnig wird. Angeblich gehört Nostromo dazu, Scherbchens Vater…
Na, und da ist noch Ramona, unsere Cheftechnikerin und angeblich in Ungnade gefallene Adelige. Die ist anscheinend nur an Bord gekommen, um sich spektakulär mit einem Schmerzverstärker und einem Bolzenschießgerät um die Ecke zu bringen. Mir tut die Schulter weh, wenn ich nur dran denke, wie wir in letzter Sekunde dazwischen sind! Jetzt ist sie wohl erst mal außer Gefahr – nachdem Achmed und Ali mit ihr geredet haben. Haben sie ihr von dem Plan der Sekte erzählt? Dass sie eh sterben wird, aber gleichzeitig was Gutes für die Menschheit tun und Aliens vernichten kann? Ich würde gern an Ramona rankommen, weil ich nicht begreife, wie man das Leben jemals so satt haben kann. Außerdem hat sie eine PSI-Kraft mit Computern, um die ich sie wahnsinnig beneide. Aber mein Versuch, sie mit Überrumpelung aus der Reserve zu locken, war nicht so erfolgreich. Kann halt nicht mit Frauen. Hätte ich ihr lieber irgendwas sagen sollen, dass sie wichtig ist und leben muss oder so? Juro hält sie schlicht für eine hochnäsige Zicke.
Puh, und dann jetzt die ganzen Leute, die wir rekrutiert haben, und die fast alle an Bord sind! Hartek, der Leibeigene (armer Kerl), dem ich gerade beibringe, mich Roland und nicht Herr zu nennen. Die McGurks, die alle drillen wollen – und Betsy hat obendrein die Aufgabe übernommen, alle weiblichen Wesen vor dem „Sittenstrolch“ Juro zu warnen. Die hübsche Fischfrau Arianne – in deren Nähe sich Juro aufführt, als hätte er endgültig den Verstand verloren. Der schwer bewaffnete Alkoholiker Mbuto. Androschs Frau, die versucht, ihren Kopf an der Wand einzuschlagen. Die Limkamar Uxam, die ständig für einen Tyraniden gehalten wird und deshalb vier Klone zur Verteidigung mit sich rumschleppt. Die Nervensäge Marella, die die Leibeigenen zum Aufstand anstiften will. Der Hütegreif, wegen dem ich mir die halbe Nacht um die Ohren geschlagen hab, als er aus seinem Container ausgebrochen ist (Er gehört mir, zumindest fast. Kann es gar nicht abwarten, ihn zu reiten!).
Wenn ich das alles so aufzähle, wird extrem deutlich, was für ein Haufen Freaks wir doch alle sind! Und aus irgendeinem Grund sind wir plötzlich in der Position, dass wir uns um sie alle kümmern müssen. Aber ich glaube fast, dass Juro und ich das irgendwie hinkriegen. Ich weiß nicht viel über ihn und noch weniger gutes, aber ich fange an, ihm zu vertrauen. An irgendwas muss ich mich ja halten in diesem Irrenhaus!
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