Rechnen und Richten

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Rodunel über den Ostiarius, der gerade aus dem Koma erwacht ist: "Irgend etwas stimmt mit ihm nicht, er kann sich nicht erinnern."
Zachiel tanzt fast vor Begeisterung: "Er ist verhext, korrumpiert, besessen..."
Siguriel: "Wie wäre es mit: Er ist alt?"

Siguriel: Ich hab langsam keine Lust mehr auf ordentlich - und das will was heißen bei mir!

Zachiel:

Selbst ein Engel des Herrn sollte darauf achten, was er sich wünscht - es könnte in Erfüllung gehen. Ah, Herr, vergib mir, dass ich am Ende dieses langen Tages (oder dieser langen Tage) eine schwache Minute habe. Ich bin nur auf Erden, deinen Willen zu erfüllen, auch wenn es nicht immer leicht ist.

Ich war so voller Wut, als Siguriel es mir vorenthielt, die schuldigen Monachen ihrer gerechten Strafe zuzuführen, diesen unseeligen Prior allen voran. Seit wir ihn an unserem ersten Tag aus der Hängematte warfen und er uns in seiner Kleingläubigkeit für die Folgen eines Sonnenstichs hielt, schien er mir verdächtig. Doch es brauchte noch einige Tage mehr, um unseren Scharführer nicht nur von der Faulheit und Unfähigkeit des Mannes, sondern vielmehr auch von seiner Hinterhältigkeit zu überzeugen. Es fing damit an, dass uns bei der Rückkehr von unserem ruhmreichen Kampf wiederum nicht der Empfang zuteil wurde, der den Boten des Herren gebührt: Die Engelspforte war nicht besetzt. Der Prior, der die Wache hätte organisieren sollen, war nicht aufzufinden. Schließlich entdeckte ich ihn, als er aus dem Wald kam, mit schmutzigen Fingernägeln und der fadenscheinigen Ausrede, er habe - wie von uns angeregt - angefangen die Felder zu inspizieren. Ich überließ es Siguriel, die Wahrheit aus ihm herauszukitzeln. Als klar wurde, dass der Mann uns offen ins Gesicht log, sperrten wir ihn erst einmal ein - und Siguriel ließ sich doch tatsächlich auf den Handel ein, dass der Prior gestehe, wenn er mit unserer Milde rechen könne. Ich wollte ihm meine Milde nur zu gern zeigen - ein wahrhaft gläubiger Mann, der einen Fehler begangen hat, beichtet ohne Wenn und Aber und begibt sich ganz in die Hände Gottes, ohne Forderungen zu stellen oder auf mehr zu hoffen, als er verdient hat! Doch Siguriel hielt mich von dem Prior fern und schickte ihn mit der Em - und unter Tamaels Beobachtung aus der Ferne - in den Wald zurück, die Wertgegenstände zu holen, die er dort begraben hatte. Angeblich, um sie der Kirche zu erhalten - doch ich weiß, dass er sich allein selbst bereichern wollte, der niederträchtige Schuft. Doch hier kam es Siguriel zu, ihn zu degradieren und niedere Arbeiten aufzuerlegen. Meine einzige Befriedigung ist, dass er nun wenig Zeit für seine Hängematte haben wird.

Zunächst war ich überzeugt, dass der Ostiarius mit dem Prior unter einer Decke stecken müsste. Weshalb sonst hatte ihn sein schwächlicher Körper darnieder gestreckt, als Veruel ihn anwies, ihr seine Aufzeichnungen offen zu legen? Während Rodunel den alten Mann in der Krankenstation pflegte, stellte unsere Ramielitin fest, dass es zu wenig Nachweise darüber gab, welche Reichtümer das Kloster angesammelt hatte. Ein Komplott, Roma Eterna den rechtmäßigen Anteil zukommen zu lassen, ganz sicher! Aber nein: Tatsächlich war der Ostiarius einfach so senil, dass es dem Prior ein Leichtes war, seine kleinen Zusatzposten an ihm vorbei zu schmuggeln. Doch auch das Gewissen des Greises war nicht rein! Er hatte sich von einem Pekati ein ketzerisches Gerät geben lassen, das in irgendeiner Art und Weise (mit deren Wissen ich mich nicht besudeln will) seinem schlechten Gedächtnis auf die Sprünge helfen sollte. Nun, er hätte es besser wissen und rechtzeitig abdanken sollen. Andererseits hängt nun, da Siguriel ihn seiner Pflichten entbunden hat, alles an der Em - also ist zumindest das Pflichtbewusstsein des alten Mannes zu loben, wie fehlgeleitet es auch gewesen sein mag. Doch zumindest diesen Pekati, der so leichtfertig mit den ihm anvertrauten dämonischen Maschinen umgegangen ist, hätte ich eine Lektion erteilt. Siguriel musste hart arbeiten, als ich in unserem Übungskampf meine innere Empörung in einer gottgefälligeren Form Ausdruck verlieh. Zumindest die Jugendlichen, denen ich flugs aus Besenstielen Wimpel bastelte und sie an der Engelspforte exerzieren ließ, geben mir ein wenig Hoffnung für die Menschheit: Als wir heute Abend zum Kloster zurückkehrten, fand ich sie beim Trainieren mit Freunden vor - eine Idee, die sie ganz allein entwickelt hatten.

Siguriels Optimismus, im dritten der vier vom Kloster vernachlässigten Dörfer gläubige und pflichtbewusste Bauern zu finden, erhielt einen Dämpfer, als wir Scheunenwalder erreichten. Vielmehr fanden wir hier die bisher schlimmste Gottlosigkeit vor: Unsere Ankunft konnte gerade noch verhindern, dass dieses unseelige Volk einen Mitmenschen auf dem Scheiterhaufen verbrannte. Sie behaupteten, er sei von Dämonen besessen, dabei erkannte Rodunel sofort, dass der Mann schlicht krank war. Doch statt den weisen Rat der Kirche anzurufen, maßten sich diese Tölpel an, selbst einen Ketzer erkennen zu können. Es ist natürlich eine Schande, dass diese faulen Monachen und Beginen nur einen Gottesdienst in einem halben Jahr in diesem weit entfernten Dorf gehalten hatten. Dass diese Menschen aber so schnell das Vertrauen verlieren, den Glauben, ja, schlimmer - dass die teuflische Boshaftigkeit in ihr Herz einzieht, ist für mich schwer zu begreifen. Denn es stellte sich heraus, dass unter der Führung des Reichsten im Dorf, Peter, das Kloster mit voller Absicht nicht informiert wurde! Weil schon die letzten beiden Male die angeblichen "Ketzer" als unschuldig erkannt worden waren.

Diesmal gab es keine Frage, dass es mir zufiel, diesen Kleingläubigen die wahre Gerechtigkeit Gottes und seiner irdischen Stellvertreter am eigenen Leib vorzuführen. Schließlich bin ich als Todesengel zum Richter und Vollstrecker des Willens des Allmächtigen eingesetzt. Und das war auch gut so: Denn während ich ganz kühl die Verhandlung nach den Regeln meiner Ausbildung durchführte, geriet unser Scharführer immer mehr außer Fassung von dem, was er hören musste: Dass Peter und sein Schwager systematisch die Männer der Ketzerei beschuldigten, deren Land und Besitz ihnen von Nutzen zu sein schien. Dass sie den Verlust und die Schwäche des heutigen Ausgestoßenen Michas ausnutzen, nachdem ihm Frau und Kind gestorben waren. Dass Peter den Schiedsspruch des Klosters mit voller Absicht verdrehte und gegenüber den Dorfbewohnern falsch wiedergab. Dass sich der Mob einbildete, den Willen des Herren besser zu kennen als die Kirche. Ich spürte Siguriels Empörung und musste Veruel ein Zeichen geben, ihn zu beruhigen, damit er diese Ketzer nicht auf der Stelle niederstreckte. Im gewissen Sinne verstehe ich seinen Zorn. Dazu kommt, dass Siguriel von den Menschen immer noch nur Gutes erwartet. Er hat nun mal nur Erfahrung gemacht mit der Bevölkerung, die durch ihr Leben in der ewigen Stadt geadelt worden ist. Seine Enttäuschung über die Bewohner von Scheunenwalder war also viel größer als meine.

Doch auch für mich war es eine Probe. In der Ausbildung war ich niemals mit dem Problem konfrontiert worden, ein halbes Dorf wegen Ketzerei vor Gericht stellen zu müssen. Siguriel und Veruel machten mir im Anschluss ein Kompliment zu meiner Verhandlungsführung und meinen Verhörmethoden. Darauf wusste ich keine rechte Erwiderung - natürlich erledigte ich meine Aufgabe so gut, wie der Herr es mir befohlen und Simael es mich gelehrt hatte. Es ist gar nicht nötig, das groß hervor zu heben. Ich verfiel ganz von selbst in meine Rolle. Doch die göttliche Sicherheit drohte mich tatsächlich kurz zu verlassen, als es darum ging, das Urteil zu vollstrecken. Den Kerl mit der großen Klappe reinigte mein flammendes Schwert, bevor er überhaupt wusste, wie ihm geschah. Als nächstes streckte ich - gemäß der umgekehrten Reihenfolge ihrer Schuld - den Schwager nieder, bevor er sich von dem Schreck erholen konnte. Doch Peter glaubte sich durch Flucht der göttlichen Strafe entziehen zu können. Als Siguriel das wimmernde Elend zurückschleifte, empfand ich regelrechten Widerwillen, meine Seele mit dessen Blut zu beflecken. Herr, ich kämpfe in deinem Namen gegen jeden Gegner, wie mächtig er auch sein mag - doch einen schwachen Menschen zu opfern, ist mir... Gott, vergib mir meine sündigen Gedanken. Dein Wille geschehe. Dein Wille geschehe.

In der Nacht hielt ich mit gezücktem Schwert auf dem Scheiterhaufen Wache und ließ den verbliebenen Pöbel im Angesicht der blutigen Überreste ihrer fehlgeleiteten Anführer beten. Das gab auch Siguriel die Gelegenheit, in sich zu gehen und zu seinem friedfertigen Selbst zurück zu finden. Am nächsten Tag erlegte er den Menschen einen Pilgergang ins Kloster auf. Peters Land wird der Gemeinschaft zu gleichen Teilen gehören - damit sie wieder lernen, zusammen zu arbeiten und nicht an die Mehrung ihres eigenen Besitzes zu denken.

Doch eines ist sicher: Sollte sich Veruels neuster Verdacht bewahrheiten, dass die Bande unter dem angeblichen Templer Reinhard gar keine Beutereiter sind und aus welchen ketzerischen Gründen auch immer Kinder einsammeln - dann werde ich nicht im Mindesten zögern, die ganze Brut auszulöschen, im Namen des Herrn!


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