Von der Freude an der göttlichen Aufgabe

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Templer: "Wir haben Schwierigkeiten mit dem dem Wagenrad, mit einem Pferd und einem Beutereiter."
Siguriel: Das sind ja gleich drei Probleme auf einmal! Ihr habt euch das falsche Überraschungsei gekauft."

Zachiel will kontrollieren, welche Fortschritte Beutereiter Paul bei seiner Strafarbeit, dem Putzen der Quartiere, gemacht hat. Sie rutscht jedoch in dem frisch gebonerten Flur aus und verteilt das Schmutzwasser aus dem beiseite gestellten Eimer quer über den gesamten Boden. Da kommt Paul herein.
Siguriel (aus dem Off): "Du könntest dich wenigstens entschuldigen."
Zachiel: "Na, so ein Pech!"

Zachiel:

Je mehr ich von den Menschen außerhalb der Ordensburgen sehe, desto weniger begreife ich sie. Ich dachte, nachdem mich dieser Mann im Wahn schlug und ich sein Leben doch verschonte, könnte es nicht mehr seltsamer werden. Aber die Wege des Herrn sind unergründlich. Oder die Wege der Menschen, die sich so weit von Gott entfernt haben. Wir kämpfen nicht nur gegen den Herrn der Fliegen, wie es scheint, sondern auch gegen die Trägheit in der Natur des Menschen, die... ja, was nur? Ich verstehe es einfach nicht, was ein ganzes Kloster dazu bringen kann, in diese Lustlosigkeit zu verfallen. Wie kann es sein, dass die Herzen dieser Menschen, die doch dem Herrn dienen sollen, sich nicht erheben, wenn die Boten des Schöpfers vor sie hin treten? Dass sie so schlechte Vorbilder sind und sich so wenig um die sorgen, die ihnen anvertraut wurden? Dass sie die Freude an ihrer göttlichen Aufgabe verloren haben? Ich spüre den ganzen Tag nichts anderes! Ich erwache des Morgens und bin erfüllt davon!

Siguriel sagt, die Menschen seien nun mal nicht ständig von der göttlichen Gegenwart erfüllt wie wir und wenn ein Kloster wie Theodessa so lange von Roma Aeterna abgeschnitten war, muss man nachsichtig sein. Schließlich seien wir aus eben diesem Grund hier, um den Monachen und Beginen neuen Mut zu geben. Welch schwache Wesen sind doch die Menschen! Nach drei Jahren ein Kloster dermaßen verlottern zu lassen! Spätestens bei der Sache mit den Kindern hat mein Scharführer ebenfalls die Geduld verloren und angefangen, mir freie Hand zu lassen...

Es fing schon allein damit an, dass die Engelspforte von Theodessa geschlossen und verrostet war. Dann fanden wir im Innenhof einen Manachen (ausgerechnet der Prior, wie sich herausstellte!), der am helligsten Mittag in der Hängematte schlief und unseren Anblick für die Folgen eines Sonnenstichs hielt. Dann dieser zweite Mann, der uns tatsächlich wie billige Bittsteller vor der Tür warten lassen wollte, um der Em Bescheid zu geben! Ich habe, als Siguriel ihn zur Leiterin gebleitete, zunächst einmal der versammelten Mannschaft im Essenssaal gesagt, was ich davon halte, dass ausgerechnet ein Kloster in Gabrielis Land einen solchen mangel an Disziplin und Haltung zeigt und sie zur Läuterung vor mir her in die Kirche getrieben. Nicht einmal die Kirchenglocken ließen sich läuten! Ich weiß nicht genau, was mit Siguriel geschehen ist, als er am nächsten Tag bei der Inspektion im Glockenturm war, doch seine Wut steigerte sich von Minute zu Minute. Ausgerechnet er, der so fanatisch auf Ordnung bedacht ist, musste das hier sehen! Doch auch ich war schockiert über den Zustand der Templerquartiere, wo sich seit dem Abzug der Truppen vor fünf Jahren eine Beutereiter-Bande eingenistet hat. Wie soll man so seine Waffen einsatzbereit und die Männer wach und aufmerksam halten?

Diese Beutereiter werde ich mir überhaupt noch vorknöpfen. Allen voran ihren Chef, Templer Reinhard! Der Zorn des Herrn wird über ihn kommen, das schwöre ich! Siguriel bat mich, bei der Befragung der Begine zu helfen, die die Schüler betreute, nachdem er vier Kinder eingesperrt und weinend allein im Schlafsaal gefunden hatte. Frevel! Diese Frau hat einfach zugelassen, dass diese Mädchen, anstatt voll Freude ihrem Leben im Dienste des Herren entgegen zu sehen, einen denkbar schlechten Eindruck der Einsamkeit und Angst von der Kirche bekamen! Sie lassen sich von diesem Templer auf der Nase rumtanzen, der ihnen den Kontakt zu den neuen Kindern verbot, damit sie sich nicht eingewöhnen sollten. Wahrscheinlich ahnt er, was für ein Saustall dieses Kloster ist, und nutzt es aus, um seine persönliche Macht zu vergrößern. Oh, Herr! Bremse meine Hand! Einen Aufseher für die Kinder haben die Beutereiter da gelassen: Einen 16-jährigen Schnösel, der mehr Zeit in der Kneipe und damit verbringt, seine wenigen Barthaare zu pflegen! Als ich ihn aufstöberte und ihm den Stuhl unter dem faulen Hintern wegtrat, wollte er sich damit verteidigen, er hätte die Kinder für heute schon versorgt. Er hatte tatsächlich die Absicht, die Kinder von Mittag an allein eingesperrt zu lassen! Allein Gottes Gnade hielt mich davor zurück, ihn gleich zu richten! Stattdessen verdonnerte ich ihn dazu, die Schweinerei in den Quartieren zu beseitigen. Der Blick, mit dem er mich bedachte, geht mir allerdings nicht aus dem Kopf. So hat mich noch nie ein Mensch angesehen...

Als wir daran gingen, das erste Dorf in der Umgebung zu überprüfen, wurde das ganze Ausmaß der Nachlässigkeiten deutlich: Bauern, die nur einmal im Monat einen Gottesdienst bekommen! Mütter, die am göttlichen Schicksal zweifeln, das ihren Kindern zuteil wird, wenn sie die Beutereiter mitnehmen! Kein Vertrauen, keine Gemeinschaft, vermutlich Betrug beim Kirchenzehnt, aber was tut das Kloster auch dafür? Nichts scheint hier für die Mönche und Beginen üblich zu sein, was sie zu weit von ihren Hängematten wegführt, nicht einmal ein Erntedankfest! Es ist durchaus faszinierend, Siguriel im Gespräch mit der Em und dem Prior zu beobachten: Niemals habe ich ihn so wütend gesehen, nicht einmal geahnt, dass diese Härte in ihm steckt, doch er bleibt stets ruhig und höflich, lässt die Drohung nur anklingen. Erstmals wird mir voll bewusst, welch göttliche Fügung mir diesen Michaeliten zugeteilt hat! Doch dem Inhalt des Gesprächs konnte ich nach einer Weile nicht mehr ganz folgen. Wie soll es uns gelingen, diesen Menschen Beine zu machen? Mein Flammenschwert lechzt nach einem Feind, doch der ist unsichtbar. Nun, zumindest bis Templer Reinhard hier auftaucht...


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