Impulse zur Veränderung: Unterschied zwischen den Versionen
(kein Unterschied)
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Aktuelle Version vom 27. Februar 2015, 11:02 Uhr
Dienstag, 31.08.2114
Rafael Contelli:
Liebe Valerie,
Was für ein Chaos der Emotionen! Heute haben Vincenzo und ich unsere feurige Ansprache auf der Vollversammlung gehalten und dabei eine Menge neuer Impulse gegeben.
Wer hätte gedacht, dass Vince so ein guter Redner ist? Klar, er war wie immer viel zu nervös, sein Selbstbewusstsein lässt manchmal echt zu wünschen übrig, aber vielleicht ist es gerade diese menschliche Schwäche, die ihn sympathisch werden lässt. Ich bin sein komplettes Gegenteil, denn meine Selbstsicherheit ist legendär und meinen Ruf hab ich mir hart erarbeitet, wie du weißt. Als ich das Wort ergriff und von der Liebe sprach, wussten sofort alle, was ich meine, denn jeder verbindet mich damit. Aber womit sie nicht gerechnet haben ist, dass ich mich auch für die Nächstenliebe und die soziale Harmonie einsetze. Ich gelte als Verführer und bilde den Kontrast zu Vincenzos Ausstrahlung. Genau diese Mischung wird uns viele Zustimmungen einbringen, da bin ich sicher.
80 Prozent an Kampfeinsätzen sind schlicht und ergreifend zu viel für den italienischen Stützpunkt, das hat Vince gut herausgearbeitet. Niemand möchte nur kämpfen. Wir sollten alle viel mehr lieben, ich hoffe, du weißt das inzwischen, Valerie. Ich gebe mir alle Mühe, dir das zu zeigen und du siehst es von da oben, habe ich recht? Du passt auf mich auf, achtest darauf, dass ich mich deinetwegen nicht verkrieche. Ich soll aus deinen Fehlern lernen, so ist es doch, Valerie. Und das werde ich. Das habe ich mir versprochen! Ich werde allen beweisen, dass die Liebe glücklich macht, dass es das ist, was uns antreibt.
Auch Vincenzos Bruder möchte ich das nahebringen. Ich unterrichte ihn und das nicht nur in der Luftmagie. Er hat ein Mädchen an der Angel. Ich habe sie heute vom Podium aus miteinander flirten sehen. Sie ist sehr hübsch.
Übrigens konnte ich schlussendlich doch noch meine Hymne an die Muse vortragen, wenn auch nicht auf der Vollversammlung. (Vince hatte es mir ja verboten, dabei sind es nur 15 Strophen.) Paola Furiosa hat mir zugehört, hätte nicht gedacht, dass sie das tut. Aber ihr hat das Gedicht wohl auch gefallen. Es hat super zum Sternenhimmel gepasst. Und Paolas Augen haben geleuchtet. Beim Vortragen habe ich an dich gedacht, Valerie. Du hättest früher vielleicht mehr Lyrik lesen sollen. Das öffnet dein Herz, weißt du?
In Liebe
dein Rafael
Norina:
Natürlich habe ich es nicht geschafft, der Versammlung fern zu bleiben. Vincenzos Worte haben das ganze Wochenende lang an mir genagt. Und nachdem die erste Wut verraucht war, konnte ich auch klarer sehen: Er hat mich nur so hart getroffen, weil er genau das ausgesprochen hat, was ich mir selbst immer vorwerfe. Ich weiß, dass ich vor meiner Verantwortung davonlaufe. Und warum nicht? Habe ich nicht auch ein Recht auf ein bisschen Glück im Leben?
Trotzdem wollte ich mir ansehen, ob es stimmt, was Vincenzo sagte, und sich im Stützpunkt einiges verändert hat. Ich habe mich ganz am Ende in den Saal geschlichen und mich an die Wand gestellt. Ich wollte nicht, dass die Hausmeisterin oder sonstjemand meinte, mich wieder am Haken zu haben, bevor ich nicht wusste, wie ich mich entscheiden sollte. Aber es war schwer, ruhig zu bleiben. Ricardo hat mir Angst gemacht mit seiner "Geboren um zu Herrschen"-Rede. Das ist genau die arrogante Art, die ich so verabscheue. Es hat so gut getan, Mister Rickman "Adolf, geh nach Hause!" dazwischenrufen zu hören. Zur Verteidigung der Runde: Die wenigsten scheinen mit Ricardo auf einer Wellenlänge zu liegen. Als Mario vorschlug, dass sich die Hexenmeister komplett aus den Angelegenheiten raushalten sollten, war ich kurz davor, den Mund aufzumachen. Aber ich brachte es nicht über mich. Außerdem hat Vincenzo schon alles gesagt. Und Rafael. Dem hätte ich das, ehrlich gesagt, nicht zugetraut. Ja, der Stützpunkt steht vor einem großen Umbruch, und vielleicht hat die Hausmeisterin nicht unrecht, wenn sie den Hexenmeistern einen Monat Zeit gibt, um nachzudenken, wohin es in Zukunft gehen soll. Auf eine schräge Art und Weise kann ich sie sogar verstehen, zwischen allen Stühlen, immer in der Situation, die Existenz und die Unabhängigkeit des Stützpunkts gegenüber der italienischen Regierung verteidigen zu müssen. Aber ich denke, die goldene Mitte ist die Richtige: Wir dürfen uns nicht zu handlangern von Großkonzernen und Lobbys machen lassen. Wir sind eine Macht und können die dazu einsetzen, um länderübergreifend auf Frieden, Wohlstand und Umweltschutz hinzuarbeiten.
Das ist so eine riesige Aufgabe, dass es mir Angst macht. Vor allem, weil ich mich, wie ich Vincenzo am Abend sagte, selbst ins Abseits katapultiert habe. Ich habe keine Kontekte mehr, keinen wirklichen Status, keinen Einfluss. Ich möchte gerne helfen, aber ich weiß nicht, wie. Als ich mich schließlich dazu aufgerafft hatte, bei den Loredans zu klopfen, war Vincenzo schon ziemlich angeheitert. Paola und Rafael haben sich sehr schnell verdrückt, ich weiß nicht, was die glauben, was da zwischen uns passiert. Ich wollte nur nicht vor der ganzen Runde über meine persönlichen Ängste reden! Ich habe Vincenzo gesagt, dass er mit allem recht hatte und dass ich wieder die Seniorengruppe übernehmen würde, wenn wir es schaffen, das Ruder in der politischen Ausrichtung herumzureißen. Er ist mit dem Kopf auf dem Tisch eingeschlafen, noch bevor ich den Kaffee fertig gekocht hatte, der Lurch! Zum Glück kam später Andrea herein und half mir, seinen Bruder aufs Sofa zu schaffen. Es war so spät, dass ich mich von dem Jungen überreden ließ, in Vincenzos Bett zu schlafen. Leider hat ihm das niemand gesagt. Es gibt zwar schlimmere erste Anblicke als ein Vincenzo nur in Shorts vor dem Spiegel, aber ich habe mich trotzdem sehr erschreckt. Und was die Familie jetzt denkt? Wenn Andrea das weitererzählt, wird er eines fiesen Todes sterben!
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