Kaufen Sie Eis!: Unterschied zwischen den Versionen
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Zum Glück bin ich morgen nicht mehr im Eiswagen, sondern bei den Kursen der Hexenmeister.<br> | Zum Glück bin ich morgen nicht mehr im Eiswagen, sondern bei den Kursen der Hexenmeister.<br> | ||
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+ | <br>Oje, oje, da hab ich mir aber was angelacht für diesen Sommer! Andrea mag ein Genie für Architektur sein und mit seiner Luftmagie die tollsten Konstruktionen erschaffen - zumindest bezweifle ich nicht, dass er sein Talent sehr bald ausbauen wird. Die Idee mit Roms Sehenswürdigkeiten als Spezial-Eisbecher war prima. Aber er hat leider absolut null Feingefühl im Umgang mit Kunden. Nicht, dass es ihm an Selbstbewusstsein mangelt, eher im Gegenteil. Nach den ersten Verkäufen musste ich ihm erst mal ein paar Regeln erklären: 1. Man ist zu jedem Kunden höflich, egal wie unverschämt sich der benimmt. 2. Man fordert Kunden nie auf, sich zu beeilen, egal wie lang die Schlange ist. 3. Man kommentiert nicht das Aussehen von Kunden. "Sahne sorgt für schöne Haut!", da fehlte nur noch ein "Sie haben's ja nötig."! <br> | ||
+ | <br>Aber zugegeben, mit dem alten Knacker hatte Andrea kurz vor Arbeitsschluss eine richtige Herausforderung am Hals. Man muss kein Fanatiker aus dem Vatikan sein, um es unpassend zu finden, in Hawaiihemd, kurzen Hosen und Cowboyhut in eine Kirche zu gehen. So wurde er der Tür verwiesen und kam entsprechend schlecht gelaunt bei uns am Fuße der spanischen Treppe an. Er bildete sich wirklich ein, amerikanisches Eis - oder neuseeländisches, eher gesagt, was er eh nicht auseinanderhalten konnte - sei mit der italienischen arte gelato zu vergleichen! Und als er Andrea beweisen wollte, wie wichtig es ist, sein Land zu lieben, und mit seiner Sandpapierstimme anfing, die amerikanische Nationalhymne zu krächzen, da musste ich mir selbst das Lachen verkneifen. Aber Andreas Schimpftirade war jenseits von allem in der Gastronomie Akzeptablen. Deshalb hab ich ihn mit einer Eisbahn auf die Bretter geschickt, damit er sich den Kopf abkühlen konnte. Zum Glück ist Rom groß und der Alte bald wieder auf dem Heimflug in "Gottes eigenes Land". Es wird Andrea leicht fallen, ihm nicht wieder zu begegnen.<br> | ||
+ | <br>Aber ich kann Peppone Junior nicht wirklich böse sein. Er kommt mir wirklich vor wie ein kleiner Bruder. Weil ich mir schon dachte, dass der Junge garantiert verschlafen wird, habe ich mir den Scherz erlaubt, ihn eine Stunde früher zum Arbeiten zu bestellen. Das hat uns die Möglichkeit gegeben, uns noch ein wenig in der Küche zu unterhalten. Drama, Drama, der erste Liebeskummer! "Ich weiß nicht, ob ich je wieder lieben kann", seufzt dieser 16-Jährige, einfach herrlich! Mich wundert's nicht wirklich, ich hab ja gesehen, wie seine Angebetete bei der Geburtstagsparty mit so ziemlich jedem anwesenden männlichen Wesen geflirtet hat. Sie ist es gewohnt, angebetet zu werden. Was will Andrea mit so einer! Schade nur, dass es ihm den Appetit auf Limetteneis verdorben hat. Umgedreht war Andrea natürlich nicht weniger neugierig, aber ich werde ihm garantiert nichts von meiner Familie erzählen! Auch über meine Beziehung zu Vincenzo - also, die Nicht-Beziehung! - habe ich nur vage Auskunft gegeben. Ich hoffe, er erzählt seinem älteren Bruder weiter, dass ich unsere urkomische Begegnung mit ihm nackt im Gebüsch als "Garten AG" bezeichnet hab. Andrea hat den Witz natürlich nicht verstanden. <br> | ||
+ | <br>Dabei bin ich eigentlich gar nicht zur Geheimhaltung verpflichtet, denn Vincenzo, der Schweinehund, hat sich verplappert! Aber ich habe noch Anstand und werde mich nicht rächen. Mir war klar, dass Andrea ahnte, dass ich eine Hexenmeisterin bin (er hält sich für so geschickt als Detektiv, niedlich!), also hab ich ein paar Andeutungen fallen lassen, um zu sehen, wie er reagiert. Na ja, und nachdem er es auch noch geschafft hatte, im Eiswagen eine Riesensauerei anzurichten, sah ich nicht ein, um des Scheins Willen auf den Knien rumzurutschen und aufzuwischen, wenn es mit Magie viel schneller geht. Andreas Element ist übrigens Luft, wie geahnt. Luft und Wasser, damit lässt sich echt was anfangen im Eisgeschäft. Aber an seinen Umgangsformen arbeiten wir noch!<br> | ||
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Aktuelle Version vom 22. Juli 2014, 16:05 Uhr
22.08.2114
Andrea:
Liebes Tagebuch,
Heute begann mein Tag mit einer kalten Dusche. Nicht, dass ich das freiwillig gemacht hätte. Nein, meine Mamma hat mich damit geweckt, weil ich sonst zu spät zu meinem ersten Arbeitstag bei der Eisverkäuferin gekommen wäre.
Davon war Mamma zumindest überzeugt. In ihren Augen bin ich total unzuverlässig.
Am Ende kam ich nur 20 Minuten zu spät und ich wette, das lag allein am Kälteschock. In Italien sind wir Kälte nicht gewöhnt. Selbst im Winter fallen die Temperaturen nachts nie unter 15°C. Dass Norina das ganze Jahr Eis verkaufen kann, ist dabei kein Wunder.
6:20 Uhr kam ich total abgehetzt bei ihr zu Hause an. Und weißt du was? Norina machte mir grinsend die Tür auf, weil sie mich mit Absicht zu früh bestellt hat.
Eigentlich beginnt die Arbeit erst um 7:00 Uhr. Na vielen Dank! Die ganze Hektik war umsonst. Ich werde durch diesen ganzen Stress garantiert frühzeitig altern.
Wenigstens hat mich Norina noch bei sich frühstücken lassen. Dank einer Tasse Kakao kam ich ein wenig zur Ruhe.
Leider haben mich dabei auch die jüngsten Ereignisse wieder eingeholt. In den zwei Wochen, die seit meinem Geburtstag vergangen sind, ist viel passiert.
Sicher erinnerst du dich noch an Elena, das Mädchen, das mich geküsst hat. Ich bin schon ewig in die verliebt. Und nun dachte ich, dass wir einander endlich näher kommen würden. Aber nichts da!
Ein neuer Sunnyboy ist in meine ehemalige Klasse gekommen. Seine Familie stammt aus Amerika und er hat unglaublich viele weiße Zähne.
Elena und die anderen Mädchen waren total hin und weg. Weil Elena die schönsten Beine hat, ist sie jetzt mit dem Sunnyboy zusammen … Ständig laufen sie händchenhaltend und knutschend durch die Stadt. Und ich muss mir das mit ansehen.
Kannst du dir vorstellen, wie das mein Herz zerreißt? Wie das meine junge Seele verbrennt?
Mein Leben ist jetzt so viel blasser. Die Liebe ist für mich ein für alle Mal gestorben.
Weil Norina mir meine Trübsinnigkeit angesehen hat, habe ich die Geschichte erzählt. So richtig ernst genommen hat sie mich aber nicht und das hat mich so geärgert, dass ich beschlossen habe, es wie ein Mann zu ertragen.
„Vergiss den Moment der Schwäche“, habe ich zu ihr gesagt und ich glaube, das hat richtig Eindruck gemacht.
Nach dem Essen haben wir den Eiswagen beladen. Limetteneis kann ich jetzt nicht mehr sehen, weil es mich an die schönen grünen Augen der bösartigen Elena erinnert. Aber ich finde bestimmt eine bessere Lieblingssorte.
Während meines ersten Arbeitstages habe ich Norina so einige Informationen entlockt. Dass ihre Familie in der Toscana wohnt zum Beispiel und dass sie sie seit Jahren keinen mehr davon gesehen hat. Nicht einmal ihre Mamma.
Irgendwie wusste sie auch, dass ich ein Hexenmeister bin und dass sie auch einer ist, weiß ich ja schon seit dem Tag mit der Spaghettisoße an der Decke.
Die Karten liegen jetzt also offen auf dem Tisch. Ich werde herausfinden, warum sie nicht mehr auf dem Stützpunkt ist und stattdessen seit über 12 Monaten in einem Eiswagen hockt.
Der Tag verlief ganz gut. Ich bin natürlich der perfekte Verkäufer. Meine kunstvollen Eisbecher „Alla Roma“ kamen super an. In diesen tollen Bechern findet man die Sehenswürdigkeiten Roms aus Eis zum Aufessen. Brillant, nicht wahr?
Mein Wissen und mein Talent im Bereich Architektur sind das Beste, was einem Eis passieren kann.
Nur einen Stinkstiefel konnte ich an diesem Tag mit meinen Fähigkeiten nicht beeindrucken. Dieser amerikanische (da haben wir es wieder! Genau, wie Sunnyboy) Tourist kam gegen Ladenschluss, als das beste Eis schon ausverkauft war. Er wollte auch noch welches mit getrockneten Früchten, obwohl er selbst wie eine getrocknete Frucht aussah.
Der alte Knacker war nicht nur griesgrämig, sondern hat auch noch behauptet, ich würde mein eigenes Land nicht kennen, weil ich noch nie die Toscane bereist habe. Eine Schande sei ich. Aber ist das eine Schande, wenn meine Familie für solche Ausflüge einfach kein Geld hat?
Soweit hat der Opa natürlich nicht gedacht. Stattdessen hat er vor uns seine Nationalhymne geträllert. Es war ätzend und später hat er mir sogar ernsthaft gedroht, weil ich ihm meine ehrliche Meinung gesagt habe.
Er sah dabei richtig fies und böse aus. Ich hoffe, ich muss ihm nicht mehr begegnen.
Zum Glück bin ich morgen nicht mehr im Eiswagen, sondern bei den Kursen der Hexenmeister.
Andrea
Norina:
Oje, oje, da hab ich mir aber was angelacht für diesen Sommer! Andrea mag ein Genie für Architektur sein und mit seiner Luftmagie die tollsten Konstruktionen erschaffen - zumindest bezweifle ich nicht, dass er sein Talent sehr bald ausbauen wird. Die Idee mit Roms Sehenswürdigkeiten als Spezial-Eisbecher war prima. Aber er hat leider absolut null Feingefühl im Umgang mit Kunden. Nicht, dass es ihm an Selbstbewusstsein mangelt, eher im Gegenteil. Nach den ersten Verkäufen musste ich ihm erst mal ein paar Regeln erklären: 1. Man ist zu jedem Kunden höflich, egal wie unverschämt sich der benimmt. 2. Man fordert Kunden nie auf, sich zu beeilen, egal wie lang die Schlange ist. 3. Man kommentiert nicht das Aussehen von Kunden. "Sahne sorgt für schöne Haut!", da fehlte nur noch ein "Sie haben's ja nötig."!
Aber zugegeben, mit dem alten Knacker hatte Andrea kurz vor Arbeitsschluss eine richtige Herausforderung am Hals. Man muss kein Fanatiker aus dem Vatikan sein, um es unpassend zu finden, in Hawaiihemd, kurzen Hosen und Cowboyhut in eine Kirche zu gehen. So wurde er der Tür verwiesen und kam entsprechend schlecht gelaunt bei uns am Fuße der spanischen Treppe an. Er bildete sich wirklich ein, amerikanisches Eis - oder neuseeländisches, eher gesagt, was er eh nicht auseinanderhalten konnte - sei mit der italienischen arte gelato zu vergleichen! Und als er Andrea beweisen wollte, wie wichtig es ist, sein Land zu lieben, und mit seiner Sandpapierstimme anfing, die amerikanische Nationalhymne zu krächzen, da musste ich mir selbst das Lachen verkneifen. Aber Andreas Schimpftirade war jenseits von allem in der Gastronomie Akzeptablen. Deshalb hab ich ihn mit einer Eisbahn auf die Bretter geschickt, damit er sich den Kopf abkühlen konnte. Zum Glück ist Rom groß und der Alte bald wieder auf dem Heimflug in "Gottes eigenes Land". Es wird Andrea leicht fallen, ihm nicht wieder zu begegnen.
Aber ich kann Peppone Junior nicht wirklich böse sein. Er kommt mir wirklich vor wie ein kleiner Bruder. Weil ich mir schon dachte, dass der Junge garantiert verschlafen wird, habe ich mir den Scherz erlaubt, ihn eine Stunde früher zum Arbeiten zu bestellen. Das hat uns die Möglichkeit gegeben, uns noch ein wenig in der Küche zu unterhalten. Drama, Drama, der erste Liebeskummer! "Ich weiß nicht, ob ich je wieder lieben kann", seufzt dieser 16-Jährige, einfach herrlich! Mich wundert's nicht wirklich, ich hab ja gesehen, wie seine Angebetete bei der Geburtstagsparty mit so ziemlich jedem anwesenden männlichen Wesen geflirtet hat. Sie ist es gewohnt, angebetet zu werden. Was will Andrea mit so einer! Schade nur, dass es ihm den Appetit auf Limetteneis verdorben hat. Umgedreht war Andrea natürlich nicht weniger neugierig, aber ich werde ihm garantiert nichts von meiner Familie erzählen! Auch über meine Beziehung zu Vincenzo - also, die Nicht-Beziehung! - habe ich nur vage Auskunft gegeben. Ich hoffe, er erzählt seinem älteren Bruder weiter, dass ich unsere urkomische Begegnung mit ihm nackt im Gebüsch als "Garten AG" bezeichnet hab. Andrea hat den Witz natürlich nicht verstanden.
Dabei bin ich eigentlich gar nicht zur Geheimhaltung verpflichtet, denn Vincenzo, der Schweinehund, hat sich verplappert! Aber ich habe noch Anstand und werde mich nicht rächen. Mir war klar, dass Andrea ahnte, dass ich eine Hexenmeisterin bin (er hält sich für so geschickt als Detektiv, niedlich!), also hab ich ein paar Andeutungen fallen lassen, um zu sehen, wie er reagiert. Na ja, und nachdem er es auch noch geschafft hatte, im Eiswagen eine Riesensauerei anzurichten, sah ich nicht ein, um des Scheins Willen auf den Knien rumzurutschen und aufzuwischen, wenn es mit Magie viel schneller geht. Andreas Element ist übrigens Luft, wie geahnt. Luft und Wasser, damit lässt sich echt was anfangen im Eisgeschäft. Aber an seinen Umgangsformen arbeiten wir noch!
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