Kaufen Sie Eis!: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 21:15, 14. Jun 2014

22.08.2114

Andrea:
Liebes Tagebuch,
Heute begann mein Tag mit einer kalten Dusche. Nicht, dass ich das freiwillig gemacht hätte. Nein, meine Mamma hat mich damit geweckt, weil ich sonst zu spät zu meinem ersten Arbeitstag bei der Eisverkäuferin gekommen wäre.
Davon war Mamma zumindest überzeugt. In ihren Augen bin ich total unzuverlässig.
Am Ende kam ich nur 20 Minuten zu spät und ich wette, das lag allein am Kälteschock. In Italien sind wir Kälte nicht gewöhnt. Selbst im Winter fallen die Temperaturen nachts nie unter 15°C. Dass Norina das ganze Jahr Eis verkaufen kann, ist dabei kein Wunder.
6:20 Uhr kam ich total abgehetzt bei ihr zu Hause an. Und weißt du was? Norina machte mir grinsend die Tür auf, weil sie mich mit Absicht zu früh bestellt hat.
Eigentlich beginnt die Arbeit erst um 7:00 Uhr. Na vielen Dank! Die ganze Hektik war umsonst. Ich werde durch diesen ganzen Stress garantiert frühzeitig altern.
Wenigstens hat mich Norina noch bei sich frühstücken lassen. Dank einer Tasse Kakao kam ich ein wenig zur Ruhe.
Leider haben mich dabei auch die jüngsten Ereignisse wieder eingeholt. In den zwei Wochen, die seit meinem Geburtstag vergangen sind, ist viel passiert.
Sicher erinnerst du dich noch an Elena, das Mädchen, das mich geküsst hat. Ich bin schon ewig in die verliebt. Und nun dachte ich, dass wir einander endlich näher kommen würden. Aber nichts da!
Ein neuer Sunnyboy ist in meine ehemalige Klasse gekommen. Seine Familie stammt aus Amerika und er hat unglaublich viele weiße Zähne.
Elena und die anderen Mädchen waren total hin und weg. Weil Elena die schönsten Beine hat, ist sie jetzt mit dem Sunnyboy zusammen … Ständig laufen sie händchenhaltend und knutschend durch die Stadt. Und ich muss mir das mit ansehen.
Kannst du dir vorstellen, wie das mein Herz zerreißt? Wie das meine junge Seele verbrennt?
Mein Leben ist jetzt so viel blasser. Die Liebe ist für mich ein für alle Mal gestorben.
Weil Norina mir meine Trübsinnigkeit angesehen hat, habe ich die Geschichte erzählt. So richtig ernst genommen hat sie mich aber nicht und das hat mich so geärgert, dass ich beschlossen habe, es wie ein Mann zu ertragen.
„Vergiss den Moment der Schwäche“, habe ich zu ihr gesagt und ich glaube, das hat richtig Eindruck gemacht.

Nach dem Essen haben wir den Eiswagen beladen. Limetteneis kann ich jetzt nicht mehr sehen, weil es mich an die schönen grünen Augen der bösartigen Elena erinnert. Aber ich finde bestimmt eine bessere Lieblingssorte.
Während meines ersten Arbeitstages habe ich Norina so einige Informationen entlockt. Dass ihre Familie in der Toscana wohnt zum Beispiel und dass sie sie seit Jahren keinen mehr davon gesehen hat. Nicht einmal ihre Mamma.
Irgendwie wusste sie auch, dass ich ein Hexenmeister bin und dass sie auch einer ist, weiß ich ja schon seit dem Tag mit der Spaghettisoße an der Decke.
Die Karten liegen jetzt also offen auf dem Tisch. Ich werde herausfinden, warum sie nicht mehr auf dem Stützpunkt ist und stattdessen seit über 12 Monaten in einem Eiswagen hockt.

Der Tag verlief ganz gut. Ich bin natürlich der perfekte Verkäufer. Meine kunstvollen Eisbecher „Alla Roma“ kamen super an. In diesen tollen Bechern findet man die Sehenswürdigkeiten Roms aus Eis zum Aufessen. Brillant, nicht wahr?
Mein Wissen und mein Talent im Bereich Architektur sind das Beste, was einem Eis passieren kann.
Nur einen Stinkstiefel konnte ich an diesem Tag mit meinen Fähigkeiten nicht beeindrucken. Dieser amerikanische (da haben wir es wieder! Genau, wie Sunnyboy) Tourist kam gegen Ladenschluss, als das beste Eis schon ausverkauft war. Er wollte auch noch welches mit getrockneten Früchten, obwohl er selbst wie eine getrocknete Frucht aussah.
Der alte Knacker war nicht nur griesgrämig, sondern hat auch noch behauptet, ich würde mein eigenes Land nicht kennen, weil ich noch nie die Toscane bereist habe. Eine Schande sei ich. Aber ist das eine Schande, wenn meine Familie für solche Ausflüge einfach kein Geld hat?
Soweit hat der Opa natürlich nicht gedacht. Stattdessen hat er vor uns seine Nationalhymne geträllert. Es war ätzend und später hat er mir sogar ernsthaft gedroht, weil ich ihm meine ehrliche Meinung gesagt habe.
Er sah dabei richtig fies und böse aus. Ich hoffe, ich muss ihm nicht mehr begegnen.
Zum Glück bin ich morgen nicht mehr im Eiswagen, sondern bei den Kursen der Hexenmeister.
Andrea




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